Jeden Tag zu schreiben, das wünschen sich viele. Das tägliche Tun hat eine große Anziehung.
Es zeugt von Diszplin, wenn es gelingt und im Gegenzug frustriert es uns, wenn wir diesem selbstgesetzten Anspruch nicht nachkommen.

Wir leben in einer spannenden Zeit. Wir können von enorm vielen Menschen erfahren, auf welche Weise sie das Tagebuch schreiben praktizieren. Das kann sehr inspirierend sein, aber auch verwirrend. Dementsprechend gibt es eine Unmenge an Empfehlungen, wie man sich das tägliche Schreiben angewöhnen kann.

Weshalb sollte ich also NOCH eine Meinung dazu herausgeben, wie häufig man Tagebuch schreiben soll? Einfach deshalb, weil ich diese Frage gerne einmal aus einer anderen Warte betrachten möchte, um dir ein paar Überlegungen mitzugeben, wie du dir das Tagebuch schreiben so einrichtest, dass es zu deinem Leben passt, ohne streng einer Regel zu folgen, die nur gut klingt.

Tagebuch schreiben ist nicht vergleichbar mit Leistung aufbauen

Es gibt Bereiche, in denen ein (fast) tägliches Training sinnvoll und nötig ist.
Zum Beispiel dann, wenn wir ein Musikinstrument außerordentlich gut beherrschen wollen oder auch wenn man beim Sport eine bestimmte Leistung erbringen möchten. Hier ist die Übungszeit relevant, um ein Trainingspensum zu erreichen. Eine gewisse Trainingsmenge ist nötig, um Fortschritte zu machen.
Das Tagebuch schreiben ist aber in diesem Sinn keine messbare Größe und es geht auch nicht darum eine bestimmte Menge an Text zu erzeugen.
Es geht darum, etwas festzuhalten, das dir wichtig oder bedeutsam ist.

Tagebuch schreiben unabhängig vom Stand des Zeigers

Wenn wir das Aufschreiben streng an eine bestimmte Tageszeit koppeln, die sich jeden Tag wiederholt, dann wird es zum Ritual. Hierbei steht nicht zwingend das Geschriebene im Fokus, sondern der Ablauf und die Struktur des Tages. Wir nutzen es, um beispielsweise den Tag zu beginnen oder zu beenden. Es kann sehr wohltuend sein, ein solches Ritual zu nutzen. Es ist eine selbstgemachte Verlässlichkeit im Tag, die du unabhängig von anderen Rythmen des Lebens setzt.

Wann das tägliche Schreiben nicht nötig, sondern kontraproduktiv ist:

Die Einheit eines Tages ist eine so feste Größe in unserem Leben, dass wir diesem Rythmus einen sehr großen Wert beimessen. Doch: Zeitmessung ist nur eine Konstruktion.

Zugegeben, eine sehr hilfreiche, aber definitiv nicht das einzige Maß, das zu gelten hat.
Vor allem nicht im Tagebuch.

Um dein Leben festzuhalten muss es keine Rolle spielen, wie der Stand des Uhrzeigers ist.

Was viele am Anfang des Tagebuch schreibens, wenn es eine Routine werden soll kollosal unterschätzen, wie aufwändig es ist, sich eine tägliche Gewohnheit anzueignen. Wenn das Aufzeichnen nur des Aufzeichnens wegen gemacht wird, dann ist es unerträglich und langweilig. Das spiegelt sich auch in den Aufschrieben wieder. Diese Energie kann man besser für Anderes nutzen.

Schwierig wird es dann, wenn dein Tagesablauf mehr Flexibilität benötigt.
Das kann der Fall sein, wenn deine Arbeitszeiten in jeder Woche sehr unterschiedlich sind oder wenn du ein Kleinkind/Baby betreust.
Oder aber auch schlicht dann, wenn du kein festes Ereignis in deinen Tag abonnieren möchtest, sondern lieber dann schreibst, wenn es einen Anlass gibt.

Übe nicht das tägliche Schreiben , sondern übe, einen Impuls für das Schreiben zu gestalten.

Das kann heißen, dass du diesen Impuls des Schreibens mehrfach in deiner Woche verankerst oder gar mehrfach am Tag.

Mögliche Rythmen und Gelegenheiten zu schreiben:


  • wenn eine Idee aufkommt und der Verlust dieses Gedankens nicht hinnehmbar oder zumindest sehr schade wäre
  • wenn du etwas erlebt hast, das du nicht der Haltbarkeit deines Kurzzeitgedächtnisses ausliefern möchtest und dir daher gleich ein paar kurze Stichpunkte notierst
  • wenn du etwas aus dem Kopf bekommen möchtest, um Ruhe für etwas anderes zu haben
  • wenn du es nutzt um eine andere Handlung stellenweise zu ersetzen. Wartezeiten nicht mit Inhalten des Smartphones, sondern Rückzugs-Zeit für dich zu nutzen
  • wenn es um ein beobachtendes Schreiben geht, ist der Rythmus natürlich abhängig vom beobachteten Gegenstand. Beispiel: Wenn es für dich hilfreich ist ein Lauftraining zu reflektieren und dazu Notizen sammelt und du drei Mal die Woche laufen willst, koppelst du das Schreiben an die Tage des Lauftrainings
  • wenn du einen Wochen- oder Monatsrückblick machst und dir dafür extra Zeit einplanst
wann du nicht schreiben musst:
  • wenn deine Konzentration auf ein Projekt wichtiger ist, als das Festhalten einer neuen Idee
  • wenn der Gedanke zwar wichtig ist, du aber weißt, dass er sich gerade wiederholt und du schon genug darüber geschrieben hast
  • wenn du von einem bestimmten Gedanken Abstand gewinnen möchtest (Siehe: Loslassen)