In diesen Tagen bekam ich von einer Leserin die Frage gestellt, wie ich es vermeiden würde, mich im Tagebuch zu wiederholen.

Bevor ich zu einer Übung komme, dir dir helfen kann dein Schreiben reicher zu gestalten, gibt es etwas Hintergrundwissen, das dir hilft zu verstehen, wie Worte unter anderem funktionieren und weshalb es leicht passieren kann, dass man sich im Tagebuch wiederholt.

Worte wie Seziermesser

Oft genug habe ich mich beim Lesen von Lebensläufen gewundert, wie flott sich ein Leben in ein paar Worte pressen lässt. So ein vorformulierter Filmriss findet sich in fast jedem Klappentext zu einem Roman oder in einer Bewerbung.
Da werden prägende Erlebnisse aus zehn Semestern und fünf Lebensjahren schließlich kondensiert in drei Worte: Studium in Hamburg.

Natürlich ist ein Buchumschlag oder eine Bewerbungmappe nicht der Ort für ausführliche Biografien. Was mich hierbei fasziniert, ist die „Ökonomie des Erzählens“. So nennt es der Schriftsteller Italo Calvino. In einem seiner Texte mit dem Titel Schnelligkeit findet sich folgendes Zitat:

„In jedem Fall ist das Erzählen eine Operation an der zeitlichen Dauer, ein Zauber, der auf den Verlauf der Zeit einwirkt, indem er ihn zusammenzieht oder dehnt.“

Beim Aufzeichnen unseres Tages im Notizbuch ist dieser „Zauber“ sehr hilfreich, um viele Ereignisse in einer überschaubaren Menge Text unterzubringen. Allerdings kann uns ebendiese Eigenschaft auch Schwierigkeiten bereiten.

Am Interessanten vorbei reduziert

Wie es aussehen kann, wenn dieser Zauber fehlschlägt, zeige ich dir in einem Beispiel:
Nehmen wir an, jemand macht folgende Notiz zum vergangenen Montag:

Aufgestanden, Kaffee gemacht, Frühstück wie immer, mit dem Rad zur Arbeit, danach zum Sport. Am Abend schnell etwas zu Essen gekocht, Nachrichten beantwortet, Film geschaut, wieder zu spät geschlafen.

Das war der Tag.
Punkt.

Mit einem Tagebuchaufschrieb dieser Art geraten wir in eine seltsame Lage. Wir können eben diesen Text nicht nur an besagtem Montag, sondern auch an den vier weiteren Wochentagen eintragen. Er funktioniert mit exakt dem gleichen Wortlaut.

Die Beschreibung wäre jeden Tag korrekt, doch es macht alle Tage gleich.

Wenn wir beim Zusammenfassen unkonkret bleiben und überwiegend in sehr allgemeinen Kategorien schreiben, dann bleibt am Ende nur das starre Skelett eines Tages, der alle Lebendigkeit verloren hat.

Was kannst du also jetzt verändern, wenn du deine Aufschriebe reicher gestalten möchtest?

Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung
für deine persönliche Tagebuch-Landkarte:

Nimm einen Stift und ein separates Blatt Papier.
Dieses legst du später in dein Tagebuch.
Es wird dein Spickzettel für deine kommenden Aufschriebe.

Schau dir nun ein paar deiner bisherigen Tagebuch-Texte an:
Über welche Themen schreibst du gehäuft? Was wiederholt sich im Tagebuch?
Notiere diese Themen.
Verteile die Begriffe auf dem Blatt, wie wenn du eine Mindmap beginnst.

Streiche aus, worüber du weniger schreiben möchtest.
Es bleiben die Bereiche, über die du auch weiterhin gerne schreiben möchtest.
Füge diesen Bereichen konkretere Aspekte hinzu.

Wenn du zB für gewöhnlich über die Schwierigkeiten bei deiner Arbeit schreibst, dann erweitere den Bereich „Arbeit“ durch Aspekte wie:
– eine gemeisterte Herausforderung
– eine schöne Begebenheit mit Kolleg*innen
– eine aktuelle Entwicklung in der Branche
– ein Meilenstein auf den du hinarbeitest etc.

Im nächsten Schritt erweiterst du deine persönliche Landkarte.

Füge deiner Mindmap nun noch eine Hand voll Themen hinzu, über die du gerne mehr von dir wissen und notieren möchtest.

Hierfür kannst du dir bei den folgenden Blogartikeln Anregungen holen:

Beobachten von A-Z
Bewahren von A-Z
Tagebuch Themen – ein Sammelsurium

Um leicht zu starten, reicht es vollkommen, dir wirklich nur wenige Themen hinzuzunehmen. Erweitern kannst du dein Spektrum später noch immer.
Deine Notizen können im Laufe der Zeit ergänzt, umformuliert und aussortiert werden.

Diese kleine Landkarte muss weder schön, noch besonders toll gestaltet sein. Sie dient einfach dafür, dir mühsames Nachdenken vor deinem nächsten Aufschrieb zu ersparen. Sie erinnert dich sacht daran, welche Bereiche du in deinem Tagebuch und somit aus deinem Leben, nicht vergessen möchtest.

Was interessiert dich an dir selbst aus dieser Zeit?